Spannungsschwankungen tolerabel machen – Christoph Lenzen erhält bedeutenden Forschungspreis zur Kommerzialisierung seiner Erkenntnisse

Christoph Lenzen, Gruppenleiter am Max-Planck-Institut für Informatik in Saarbrücken erhielt einen ERC proof-of-conceptGrant. Diese Zusatzförderung zu einem schon erteilten ERC Grant wird nur vergeben, wenn neben der wissenschaftlichen Exzellenz eines Forschungsgegenstandes dessen kommerzielle Verwertung möglich wird. Für die kommenden 18 Monate wird Lenzen die Einsatzfähigkeit seiner Forschungsergebnisse zur „Theorie verlässlicher Hardware“ auf einem Siliziumchip demonstrieren.

Üblicherweise wird in allen technischen Artefakten schon bei der Konstruktion eine gewisse Sicherheit eingebaut, aus Erfahrung, dass üblicherweise nie alle Eventualitäten im Einsatz von vornherein berücksichtigt werden können. Bei Druckbehältern wird die Wandung stärker ausgelegt um Schwankungen abfangen zu können, in elektrischen Installationen werden Sicherungen eingebaut, um Überlastungen zu verhindern. Im europäischen Niederspannungsnetz (230 / 400 Volt) darf die tatsächliche Spannung nur 10% vom Nennwert abweichen; elektrische Verbraucher müssen darauf ausgelegt sein. Auch Mikroprozessoren haben solche Sicherheiten im Design, z.B. für einen kurzfristigen Abfall der Versorgungsspannung. Daraus dürfen, vor allem bei kritischen Anwendungen wie Automobilsteuerung, Medizintechnik etc., keine katastrophalen Folgen entstehen. Bisher wird als Sicherheit von vornherein eine Limitierung der Taktrate unter den eigentlich möglichen Wert vorgenommen. Damit verringert sich logischerweise auch die Effizienz der Schaltung; Berechnungen dauern länger oder es wird mehr Platz auf dem Substrat verwendet. Die Abhängigkeit von der Versorgungsspannung ist hoch: Schon 1% Abfall verringern die effektive Taktrate und damit Rechengeschwindigkeit. Mit steigender Integrationsdichte wird diese Abhängigkeit eher noch stärker.

Hier greift der Ansatz, den Lenzen seit ca. zehn Jahren verfolgt und der seit drei Jahren durch einen ERC Starting Grant gefördert wird: Durch ein Hardware-Design, dass es ermöglicht, Schwierigkeiten, wie Ausfälle oder auch teilweise Beschädigungen innerhalb der integrierten Schaltkreise, so abzufangen, dass das Gesamtsystem weiter funktioniert. „Stellen Sie sich vor, dass Sie einen Schraubenzieher über Ihren Prozessor ziehen, der danach unter fortlaufendem Beschuss mit Röntgenstrahlung immer noch reibungslos funktionieren soll. Das ist natürlich überspitzt formuliert, aber gar nicht so weit von der Wahrheit entfernt,“ erklärt der Forscher mit einem Schmunzeln.

Im neuen Projekt liegt der Fokus auf der elektrischen Seite des Chips. Die Forscher um den Saarbrücker Informatiker wollen den Einfluss von Spannungsschwankungen dadurch reduzieren, dass sie die Frequenz des Taktgebers anpassen. Dieses soll durch eine rein digitale Schaltungstechnik ermöglich werden, die schnell genug reagieren kann. Sie ist in der Lage, sowohl sehr steile als auch tiefe Spannungsabfälle abzufangen und die Funktionalität der Schaltung im Betrieb zu gewährleisten.

„Eine Besonderheit unserer Herangehensweise ist, dass wir formal die Korrektheit unseres Ansatzes nachweisen. Das heißt, dass wir nicht nur experimentell überprüfen, ob sich das System erwartungsgemäß verhält, sondern mittels mathematischer Beweisverfahren zeigen, dass die korrekte Funktionsweise des Systems zu jeder Zeit gewährleistet ist,“ so Lenzen. Die Entwicklung des erwähnten Computerchips zur praktischen Demonstration der Ergebnisse wird zusammen mit der Gruppe von Prof. Milos Krstic (Uni Potsdam/IHP) erfolgen.

 

Weitere Informationen: